Ist gut wirklich gut? – quantitative und qualitative Unternehmensanalysen
Bei der Unternehmensanalyse kann man unterschiedlich vorgehen. Man kann sich auf quantitative oder auf qualitative Aspekte fokussieren.
Die quantitative Unternehmensanalyse
Die quantitative Analyse ist sicherlich die einfachere bzw. klarere Variante. Man verlässt sich rein auf die Zahlen aus der Bilanz, der G&V oder dem Cashflow Statement. Hiermit lassen sich klare Kennzahlen errechnen. Diese quantifizierende Vorgehensweise liefert vergleichbare Ergebnisse für jedes Unternehmen. Das Schöne an Zahlen ist, dass sie eindeutig sind. Dadurch ist es einfacher zu einer Entscheidung zu gelangen. Aber der einfache Weg ist nicht unbedingt immer der richtige Weg, da man hier oftmals wichtige Punkte außer Acht lässt.
Die qualitative Unternehmensanalyse
Hier wird es etwas anspruchsvoller, da es leider schwammiger wird. Bei der qualitativen Analyse kehrt man etwas von den schönen, harten Zahlen der Bilanzen ab und konzentriert sich auf „softe“ Kriterien. Themen wie Burggräben, Zukunftsaussichten, Managementqualitäten usw. werden in den Fokus gerückt. Leider sind diese Dinge schwer quantifizierbar. Natürlich kann man von der Anzahl der Aktien, welche die Unternehmensführung besitzt, auf die Art der Unternehmensführung schließen, aber so klar wie Bilanzkennzahlen wird diese Geschichte trotzdem nicht. Obwohl die qualitative Analyse aufwendiger ist (man kloppt eben nicht nur Bilanzzahlen in eine Excel-Datei, welche dann Kennzahlen ausspuckt), lohnt es sich. Für diese These haben wir selbstverständlich ein paar Beispiele vorbereitet.
Anmerkung Florian Günther: Wenn man 100 verschieden Fachleute den „inneren Wert“ eines Unternehmens bestimmen lässt, dann erhält man 100 verschieden Werte. Warum ist das so? Gibt es eigentlich keine Standards in der Unternehmensbewertung (…und hier geht es ja regelmäßig um viele Milliarden $/€). Hier geht es zur Antwort….
Quantitativ: Gut – Qualitativ: Fraglich
BIC Group
Die BIC Group ist ein börsennotiertes Familienunternehmen aus Frankreich. Seit über 60 Jahren stellt BIC Kugelschreiber, die bekannten BIC-Feuerzeuge und Rasierer her. Auch Tipp-Ex-Hersteller Tipp-Ex ist eine in Deutschland beheimatete Tochterfirma von BIC.
Was sprechen die Zahlen?
Die letzten Jahre lag die EBIT-Marge zwischen 18% – 22%. Die Umsatzrendite liegt aktuell, wie auch in den Jahren zuvor, über 12%. Bei einer hohen Eigenkapitalquote konnte BIC 2017 eine Eigenkapitalrendite von knapp 17% erzielen. Die Bilanzen von BIC können sich sehen lassen.
ABER…
BIC hat keinen wirklichen Burggraben. Die Feuerzeuge sind gut und Tipp-Ex kennt man auch, aber das sind keine Marken, die eine besondere Strahlkraft haben. Diese Burggräben sind für Konkurrenten nicht unüberwindbar.
Zudem sind viele Kassenschlager von BIC „vom Aussterben“ bedroht. Die Tabakindustrie merkt es (dazu später mehr) genauso wie auch BIC. Die Menschheit raucht immer weniger. Als Feuerzeughersteller ist das natürlich ein Problem. Das nächste Zukunftsproblem gibt es bei Tipp-Ex. Die Digitalisierung verdrängt das analoge Medium Papier. Wenn weniger Leute auf Papier schreiben, wird auch weniger Tipp-Ex benötigt.
Hätte man sich nur auf die quantitative Analyse verlassen, hätte man diese beiden Punkte wahrscheinlich übersehen und eine Investmententscheidung getroffen, welche man nach einer qualitativen Analyse nicht getroffen hätte.
British American Tobacco
British American Tobacco ist das zweitgrößte Tabakunternehmen der Welt. Zu den Marken zählen bekannte Aushängeschilder wie Lucky Strike, Pall Mall oder Dunhill.
Was sprechen die Zahlen?
Die EBIT-Marge lag in den letzten Jahren konstant über 40%. Die Umsatzrendite schwankt zwischen 11% – 26%. Die Eigenkapitalrendite lag seit 2014 konstant über 50%. Sehr gute Zahlen, wie man sieht.
ABER…
Der weltweite Tabakkonsum nimmt (wie bei BIC schon angesprochen) stetig ab. Trends hin zu einer gesunden Lebensweise sind für Tabakunternehmen nicht gerade förderlich und immer mehr Jugendliche verzichten komplett aufs Rauchen. Noch läuft es gut, aber die Zukunft des Tabakkonsums sieht nicht sehr rosig aus.
Philip Morris
Vom zweitgrößten Tabakkonzern kommen wir nun zum Größten, nämlich Philip Morris. Dabei besitzt das Unternehmen einen weltweiten Marktanteil von knapp 15%. Philip Morris vertreibt bekannte Marken wie Marlboro, L&M sowie Chesterfield.
Was sprechen die Zahlen?
Die EBIT-Marge der letzten Jahre lag immer knapp über 40%. Als Dividendenzahler kann sich Philip Morris mit einer jährlichen Dividendenrendite von durchschnittlich 4% durchaus sehen lassen. Die Umsatzrendite liegt über 20%. Auch hier sind die Zahlen sehr gut.
ABER…
Was für British American Tobacco gilt, gilt natürlich auch für Philip Morris. Die Gegenwart der Tabakindustrie mag jetzt noch gut sein, aber die Zukunft sieht sich einem schrumpfenden Markt gegenüber.
The Navigator Company (ehemals Portucel SA)
Die Navigator Company ist ein portugiesischer Hersteller von Papierprodukten. Dazu zählen beispielsweise Schreib- und Kopierpapier.
Was sprechen die Zahlen?
Die EBIT-Marge lag im letzten Jahr bei knapp 15%. Die Eigenkapitalrendite liegt bei ca. 17%. Das ist bei einer EK-Quote von über 50% gar nicht so übel. Die Bilanz macht einen sehr guten Eindruck.
ABER…
Papier ist zwar bekanntlich geduldig, aber in unserer digitalen Welt wird immer weniger auf Papier geschrieben und vieles elektronisch erledigt. Auch ökologische Aspekte durch Abholzung von Wäldern spielen hier eine Rolle. Deswegen befindet sich die Papierindustrie auf einem absteigenden Ast und damit hat die Navigator Company (wie auch Tipp-Ex) zu kämpfen.
Quantitativ: Hat sich bemüht – Qualitativ: Stark
Amazon
Amazon ist wohl so gut wie jedem ein Begriff. Der größte Online-Versandhändler der Welt bietet so ziemlich alles als Päckchen bequem für zuhause an. Weitere wichtige Produkte und Dienstleistungen beinhalten das Amazon-Prime-Programm, dessen Streaming-Service sowie eigene Produkte wie Amazon Alexa oder den E-Book-Reader Kindle.
Was sprechen die Zahlen?
Die EBIT-Marge beträgt gerade einmal knapp 2%. Den ersten nennenswerte Gewinn fuhr Amazon erst im Jahre 2016 mit knapp 2 Mrd. US-$ ein bei einem Umsatz von über 135 Mrd. US-$. Eine EK-Rendite von knapp 11% bei einer EK-Quote von 20% ist auch nicht gerade das Gelbe vom Ei. Außerdem zahlt Amazon keinerlei Dividenden.
ABER…
Wenn man nach einem Burggraben-Unternehmen sucht, wird man bei Amazon fündig. 2016 hatte Amazon allein in Deutschland über 44 Millionen Kunden, wobei 17 Millionen sogar das Amazon-Prime Angebot nutzen. Tendenz: Rapide steigend! Weltweit wird das Unternehmen mit großen Schritten profitabler und hat in vielen wichtigen Märkten der Welt die Marktführerschaft (Ausnahme China und Teile Asiens: hier ist Alibaba das Maß der Dinge). Auch hier blenden die quantitativen Zahlen ein wenig, da es sich bei Amazon in Sachen Qualität um ein hervorragendes Unternehmen handelt.
Schlussendlich möchten wir natürlich nicht sagen, dass der eine Weg richtig und der andere Weg falsch ist. Wie so oft im Leben: „Die Mischung macht’s!“ Wir selbst verwenden beide Arten zur Unternehmensanalyse. Die quantitative Unternehmensanalyse gibt uns eine gewisse Sicherheit, da wir hiermit viele Unternehmen aussortieren können, deren Bilanzen uns nicht gefallen. Wenn es jedoch am Ende darum geht welches Unternehmen mit unserem Geld arbeiten soll, steigen wir in die qualitative Unternehmensanalyse ein und werfen einen genauen Blick auf die nicht-quantifizierbaren Kriterien. Damit möchten wir sicherstellen, dass wir nichts übersehen und uns am Schluss für das beste Unternehmen entscheiden.
Abschließend wünschen wir euch wie immer noch einen schönen Tag und viel Spaß und Erfolg beim Investieren! 😉
Eure freundlichen Value Investoren aus der bayrischen Nachbarschaft
Andreas und Daniel von Bavarian Value
Anmerkung Florian Günther: Hier geht es zu einem kostenlosen Analyse-Tool für Aktien!